100 Jahre Bauhaus: Welt wird Stadt
Was würde Gropius tun?
Im Jahrhundert der globalen Mega-Urbanisierung wiederholen sich die Fragen, die sich Städteplaner und Architekten bereits vor 100 Jahren stellten. Nur viel größer und noch ein wenig komplexer. Was zählen die Antworten der Bauhaus-Architekten und frühen Modernisten heute noch?
Der Geist von Walter Gropius, Hannes Meyer und Mies van der Rohe schwebt über den Wassern Chiles. Wer heute nach Ähnlichkeiten, Traditionslinien oder Wahlverwandschaften zwischen dem Aufbruch der 1920er Jahre und der aktuellen Architektur und Städteplanung sucht, muss weit reisen. Nach Chile zum Beispiel. Dort, im europäischsten Land Südamerikas, fielen die Ideen des Bauhaus schon früh auf fruchtbaren Boden. Und deshalb ist es womöglich kein Wunder, dass sich dort mit Alejandro Aravena jemand in die Weltliga der „Starchitekten“ hochgearbeitet hat, dem man heute am ehesten das Erbe des Bauhaus anvertrauen würde. Der Pritzker-Preisträger von 2016 baut zwar keine Kuben, keine umlaufenden Fensterbänder und keine Laubengänge, aber die „halben Häuser“, die ihn berühmt machten, spiegeln etwas viel Wichtigeres wider: die Bereitschaft, Tradiertes über Bord zu werfen, Funktionalität und Gestaltung zu radikal neuen ästhetischen Antworten zu verschmelzen und nicht zu vergessen, dass Architektur und Städtebau auch eine Frage gesellschaftlicher Teilhabe sind.
Aravena gilt als der „Robin Hood unter den Architekten“ (Süddeutsche Zeitung). Als er 2003 mit wenig Zuschüssen eine Siedlung für sozial Benachteiligte bauen sollte, wollte er sich nicht damit abfinden, das Geld zu nehmen und billige Unterkünfte aus dem Boden zu stampfen. Wenn ich nur die Hälfte des Geldes für den Bau eines guten Hauses habe, warum baue ich dann nicht ein halbes gutes Haus? Aus dieser Idee entwickelte sich ein umwerfendes Konzept. Die Menschen zogen in das halbe Haus, und wenn sie dann Geld verdienten, konnten sie den Rest weiter ausbauen und nach und nach zum guten ganzen Haus kommen. Mittlerweile haben Aravena und sein „Do-Tank“ Elementar zahlreiche solcher Häuser gebaut. Am bekanntesten wurde der Wiederaufbau der südchilenische Stadt Constitution, die durch das große Erdbeben von 2010 und den anschließenden Tsunami zerstört worden war. Elemantar baute ganze Siedlungen aus halben Häusern.
Auch die anderen Projekte Alejandro Aravenas überraschen immer wieder mit radikalen Lösungen. Beim Bau eines Innovationszentrums in Santiago kehrte er die verglaste Vorhangfassade nach innen, um so das Aufheizen des Gebäudes zu verhindern. „Es gibt nichts Schlimmeres, als die falschen Fragen zu beantworten. Wir müssen die richtigen Fragen finden“, diese Sätze liest man in beinahe jedem Interview, das der 50-jährige Chilene rund um die Welt gibt. Und weil er nicht nur ästhetische, sondern auch soziale und ökologische Fragen stellt, sehen seine Antworten so anders aus, als es im heutigen Städtebau üblich geworden ist.
Lösungen für das urbane Jahrtausend
Die Welt ist Stadt, so muss man mittlerweile sagen. Über 50 Prozent der Menschen leben bereits in urbanen Räumen, bis 2050 werden es nach Berechnungen der UN zwei Drittel, und damit rund 6,3 Milliarden sein. Der Prozess der Verstädterung ist globalisiert und dringt in immer neue Sphären vor. Von den schwimmenden Slums in Lagos bis zu den leuchtenden Wolkenkratzern Shanghais haben sich innerhalb weniger Jahrzehnte Agglomerationsmodelle entwickelt, die weder mit der europäischen noch mit der nordamerikanischen Moderne zu vergleichen sind.
Der politische Druck, in sich gerade erst entwickelnden Volkswirtschaften eine wachsende Bevölkerung, die vom Land in die Städte drängt, halbwegs menschengerecht unterzubringen, erscheint überwältigend. Zum Beispiel in Indien, derzeit ein Hotspot der Urbanisierung. Rund zwei Drittel der knapp 1,3 Milliarden Inder leben heute noch auf dem Land. Doch jede Minute wandern bereits 25 bis 30 Menschen von dort in die Stadt. Bis zum Jahr 2050, so offizielle Schätzungen, wird sich die Stadtbevölkerung ungefähr verdoppelt haben, auf dann 800 Millionen. Das heißt, Indien muss in dieser Zeit Städte für etwa 400 Millionen Menschen bauen. Das entspricht der Bevölkerung der USA und Kanada zusammen. Schon heute würde niemand behaupten, Indiens Städte seien mit einer perfekten Infrastruktur gesegnet. Wie soll das in dreißig Jahren aussehen?
Doch die indische Regierung hat sich vorgenommen, den Urbanisierungsprozess aktiv zu gestalten: Einhundert sogenannter Smart Cities sollen in den nächsten Jahren entstehen. Es werden nur Projekte auf begrenztem Raum sein, gedacht als Leuchttürme, die ihre Umgebung beeinflussen und inspirieren. Sie sollen zeigen, wie Städtebau im 21. Jahrhundert aussehen kann: als ein unternehmerisch geführtes Projekt, das privates Kapital beschafft, privat-öffentliche Partnerschaften managt, replizierbare Stadtmodelle entwirft und digitale Technologien einsetzt, um ressourceneffizient und nachhaltig zu sein.
Urbanisierung in Asien: Clash der Kulturen
Nach zwei Jahren Planungszeit hat es Indien geschafft, die meisten Standorte für das Projekt zu finden. Doch mittlerweile hat sich eine Welle der Kritik in Bewegung gesetzt. Im Kern geht es um die Frage, wie die Urbanisierung in Indien den Bedürfnissen der Menschen dient. Wie soll die urbane Zukunft des Subkontinents wirklich aussehen? „Unsere Städte entsprechen zum großen Teil nicht denen im Westen“, so der bekannte indische Architekt Rajeev Kathpalia. Es seien eher Ansammlungen von Dörfern, in denen noch Landwirtschaft stattfindet und Vieh gezüchtet wird. „Ich denke“, sagt Kathpalia, „wir müssen unsere eigene Mischung finden und eine Definition ableiten, die uns entspricht.“ Und der britische Smart-City-Kritiker Adam Greenfield ist sogar der Überzeugung, dass die historisch gewachsenen Strukturen Indiens durch die Pläne zerstört werden sollen. „Was in den Präsentationen und Darstellungen der Regierung als Höhepunkt der modernen Stadtgestaltung erscheinen mag, ist kaum mehr als ein Vorwand, um arme Bauern und Fischer vom Land zu entwurzeln und ihre Dörfer durch geschlossene Enklaven und Golfplätze zu ersetzen, die der Elite dienen sollen“, so Greenfield. Eine Sorge, die nicht unberechtigt erscheint, denn die Blaupause für das Modell der indischen Smart Cities ist die südkoreanische Satellitenstadt Songdo. Hier wurde Anfang des Jahrtausends erstmals in großem Maßstab ein international vermarktbarer Prototyp der Smart City gebaut. Die Begeisterung hält sich in Grenzen. Songdo gilt bis heute als steril, seelenlos und „Ghetto für die Reichen“ (Le Monde).
Was Indien noch bevorsteht, hat China bereits weitgehend hinter sich. Seit der ökonomischen Öffnung Ende der 1970er Jahre hat das Land einen Urbanisierungsprozess bewältigt, der in der Geschichte ohne Vergleich ist. Dabei ist auch an spektakulärer Architektur kein Mangel. Doch Urbanität? Nicht wenige neue urbane Zentren Chinas sind komplett am Reißbrett entstanden. Auch deutsche Star-Architekten waren daran beteiligt. Lingang New City nahe Shanghai, ein gewaltiger Masterplan von Gerkan, Marg und Partner (gmp), wirkt zunächst wie eine Kopie von Ebenezer Howards klassischer Gartenstadt. Bis man sich die Dimensionen klarmacht. 450 000 Menschen sollen hier einmal wohnen. Knapp 200 000 sind es bereits, doch pulsierend sei hier bislang nur der nahe Tiefseehafen, berichten Besucher von der noch fehlenden Urbanität der Satellitenstadt, für deren charakteristischen See im Zentrum die Hamburger Binnenalster Pate gestanden haben soll.
Mit europäischen Maßstäben ist kaum zu messen, was in den letzten Jahrzehnten in China entstanden ist. Dabei liegt der Vergleich mit dem frühen 20. Jahrhundert nahe. Das Bauhaus, das Neue Bauen und die großen Anstrengungen im Siedlungsbau waren ja nicht zuletzt eine Reaktion auf das für damalige Verhältnis rasante Wachstum der großen Städte. Gibt es dazu in China Parallelen und Bezugnahmen auf die europäische Moderne? China „ist das Turbo-Gegen-Bauhaus, wo jeder lauter schreien will als der andere, ein orientierungsloser Stadtbrei, in dem du verloren bist, ein Grundrauschen bis zum Horizont“, berichtete Johannes Dell, Partner bei Albert Speer & Partner, vor einigen Jahren von seinen Erfahrungen im Land der Mitte. Der Versuch von AS&P, Anfang des Jahrtausends mit der „Germantown“ Anting so etwas wie deutsche Urbanität in China zu realisieren, endete mit einer seltsamen, an ostdeutschen Siedlungsbau erinnernde Simulation, die erst nach vielen Jahren von den Chinesen allmählich angenommen wurde.
Kein neues Bauhaus weit und breit
„Natürlich wird heute auch der Bauhaus-Stil an den chinesischen Universitäten unterrichtet“, weiß Austin Williams. Der britische Autor und Dozent beschäftigt sich seit Jahren mit China und hat soeben ein Buch über die dortigen Eco-Cities veröffentlicht („China’s Urban Revolution: Understanding Chinese Eco-Cities“). „In der Praxis gibt es hier und da ästhetische Anleihen“, so der China-Experte, „aber das große sozialistische Bauhaus-Denken spielt in der Praxis keine Rolle.“ Eine Einschätzung, die auch von einheimischen Architekten geteilt wird. „Die endlose Produktion von Gebäuden ist ohne soziale Verantwortung passiert“, sagt etwa James Shen, einer der Gründer des People’s Architecture Office in Peking. Sein Büro sorgte für Aufmerksamkeit, als es Häuser in historischen Vierteln durch moderne „Plug-ins“ erweitere und damit auf einen guten Wohnstandard hiefte.
Die Abwesenheit eines sozialen Anspruch erstaunt, würde man doch gerade im ehemals sozialistischen China einen solchen vermuten. Doch Chinas Städte sind vielleicht schon zu groß dafür. Das Land, so die UN, hat bereits den Sprung von den Megacities zu den Megaregionen vollzogen. Das Perlflussdelta mit Multimillionenstädten wie Hongkong, Shenzhen oder Guangzhou umfasst ein zusammenhängendes urbanes Gebiet mit 100 Millionen Einwohnern. Rund um Peking plant die chinesische Regierung Jing Jin Ji, eine Supermetropole mit 130 Millionen Einwohnern. Die Subzentren müssen über Hochgeschwindigkeits-Bahnlinien verbunden werden, um sich zu vernetzen. Kann hier noch Urbanität gelingen? Und was ist das überhaupt?
Die Formel für Stadt von morgen
Die Frage nach der zukunftsfähigen Stadt bewegt Menschen rund um die Welt. Denn hier wird entschieden, wie wirtschaftliche Entwicklung aussieht, wie Nachhaltigkeit funktioniert oder ob die Staatengemeinschaft in der Lage ist, ihre Klimaziele zu erreichen. „Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten“ ist das elfte der 17 SDGs, der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen. Doch für fast alle dieser global verabschiedeten Ziele für nachhaltige Entwicklung gilt: Über Erfolg und Misserfolg wird in den Städten entschieden. Die Fragen der Stadtentwicklung, der Stadtplanung, des Bauens und der Urbanität haben ein enormes Gewicht bekommen.
Auf der Suche nach universellen Formeln für eine gute Stadt, für gutes Wohnen und gutes Leben begegnet man interessanten Antworten. „Ich denke, Energie ist das Wichtigste“, sagt zum Beispiel Balkrishna Vithaldas Doshi. Der Grandseigneur der indischen Architektur, der früh mit Le Corbusier arbeitete und später historische indische Gestaltungsprinzipien in seine Arbeiten einfließen ließ, meint damit jedoch nicht den Strom aus der Steckdose. „Die Frage ist, wird diese Stadt das Leben antreiben? Hat diese Stadt die Vitalität, damit Menschen ihre Zeit am effektivsten nutzen und das Leben verwirklichen können, das sie haben wollen?“, erläutert er.
Vitalität, Energie, auch Vielfalt und Gestaltung in menschlicher Größe werden gerne als Elemente einer gelungenen Stadtentwicklung genannt. Wer in der gegenwärtigen Diskussion nach den tatsächlich vorhandenen Vorbildern sucht, stößt unweigerlich auf Kopenhagen. Die dänische Hauptstadt hat in der Tat so gut wie alles, was sich Stadtplaner erträumen. Wer sich im Sommer auf den Wiesen am Hafenkanal niederlässt, erlebt eine junge, vielsprachige und sonnenhungrige Stadt. Fahrradbrücken überqueren den zentralen Wasserweg, von gewundenen Stegen springen Jugendliche ins Wasser, und ein gelungener Mix aus alter und neuer Architektur säumt dieses urbane Paradies aus – nun ja, eben Vitalität, Energie, Vielfalt und gelungener Gestaltung.
Kopenhagen ist das nicht in den Schoß gefallen. Über Jahrzehnte hat die Stadt für diesen Weg gearbeitet, der heute weltweit bewundert wird. Ein Weg, der auch mit dem Namen Jan Gehl verbunden ist. Gehls Bücher wie „Städte für Menschen“ oder „How to Study Public Life“ nehmen Logenplätze in den Regalen aller jungen Architekten, Städteplaner und Urbanisten ein. Kaum jemand sonst hat die Beziehung zwischen Mensch, Raum, Stadt und Gebäude so intensiv studiert wie der dänische Architekt. „Erst das Leben, dann der Raum, dann das Gebäude“, so sein Motto. Oder: „Frag nicht, was die Stadt für dein Gebäude tun kann, frage immer, was das Gebäude für die Stadt tun kann.“ Gehls Philosophie, die keineswegs nur aus wohlfeilen Kalendersprüchen besteht, ist die Antipode zu den Städten vom Reißbrett, die nicht zuletzt mit der Nachkriegs-Moderne verknüpft sind. Jener Zeit also, als sich der Wohnungsbau vom gewohnten Maß verabschiedete und die Satelliten produzierte, die man wenige Jahrzehnte später nur noch als soziale Brennpunkte kannte.
Mehr als Bauhaus: Gute Traditionen aus Deutschland
„Wenn ich heute mit meinen Studenten an zukunftsweisenden Siedlungsprojekten arbeite, nehmen wir uns die 1920er und 1930er Jahre zum Vorbild“, sagt Steffen de Rudder. Der Städtebau-Professor von der Bauhaus-Universität Weimar lobt den deutschen Siedlungsbau aus dieser Zeit. „Die großen Helden sind Ernst May und Bruno Taut“, so de Rudder. Was Ernst May als Siedlungsdezernent in Frankfurt unter schwierigen Bedingungen auf den Weg gebracht habe, sei beeindruckend. Und Tauts berühmte Hufeisensiedlung in Berlin sei nicht nur ein ästhetisches Ausrufezeichen, „da würde man doch auch heute noch gerne wohnen.“
Bruno Taut und Ernst May gehörten zwar nicht zum Bauhaus, aber zum legendären „Ring“, einem Zusammenschluss von Architekten in der Weimarer Republik. Auch Walter Gropius und Mies van der Rohe zählten dazu, sowie ein Großteil jener Namen, die heute mit dem Begriff des Neuen Bauens verbunden werden. Tatsächlich hat der Aufbruch der Moderne in Städten wie Berlin, Frankfurt oder Hamburg Spuren hinterlassen, die bis heute das europäische Verständnis guter Urbanität prägen. „Das war die heroische Moderne, das sieht toll aus, an den Siedlungen gibt es große Inschriften auf denen steht, wer das gebaut hat, so stolz waren die damals“, sagt de Rudder.
Und heute? „Was jetzt überall gebaut wird, da will man doch nicht wohnen, oder?“, so der Professor. Die Einfältigkeit und Langeweile, die bei großen innerstädtischen Bauvorhaben sichtbar wird, ist frappierend. Sie ist teilweise das Ergebnis eines „Masterplans“, der entscheidende Qualitäten vermissen lässt, etwa im Hamburg, wo das Projekt Altona-Mitte nur Mittelmaß hervorbringt. Oder es ist das Resultat einer visionslosen Bauwut, derzeit gut in Berlin zu beobachten, etwa entlang der East Side Gallery, dem längsten verblieben Stück der Berliner Mauer. Es ist in Deutschland aber auch das Ergebnis überkommener Vorschriften, die immer noch die funktionale Trennung von Wohnen und Arbeiten fortschreiben. „Das war in der Industriegesellschaft mit ihren Emissionen sinnvoll, aber heute nicht mehr“, sagt de Rudder. Mit den neuen „urbanen Gebieten“ hat der Gesetzgeber hier einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Denn das Nebeneinander von Wohnen, Gewerbe, Hinterhöfen und sozialen Nischen produziert nicht selten jene Energie, die vitale Orte benötigen. Zumindest in Europa.
Die Kraft der Gestaltung
Architektur und Stadtplanung, das haben die letzten 100 Jahre bewiesen, können das Leben von Menschen verändern. Zum Schlechten, aber auch zum Guten. Welche Antworten würden Gropius, Meyer oder Mies, oder auch Bruno Taut oder Ernst May heute finden, wenn sie für das 21. Jahrhundert bauen müssten? Wie würden sie mit dem Problem der Gentrifizierung durch sündhaft teure Eigentumswohnungen umgehen? Was würden sie zu Resilienz und Nachhaltigkeit sagen? Wie würden sie neue Technologien einsetzen, um bezahlbares Wohnen zu ermöglichen? Wie würden sie verdichten, ohne soziale Brennpunkte zu schaffen?
Fragen an die großen Gestalter des frühen 20. Jahrhunderts gäbe es genug. Auch die, wie eine gerechtere Stadt aussehen könnte. Welche Konzepte hätten sie für die Förderung der Integration und gegen die soziale Spaltung der Stadt? Denn egal ob im reichen Europa oder in den wuchernden Agglomerationen Asiens und Afrikas, die „soziale Frage“ stellt sich in unterschiedlicher Form überall. Dass die Gestaltung von Gebäuden und Städten hierbei einen Beitrag leisten kann ist eine Erkenntnis, die fest zum Erbe der frühen Moderne gehört. Auch für Alejandro Aravena, der seiner Architektur abverlangt, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. „Und Ästhetik ist der Klebstoff, der die Dinge zusammenhält“, so sein Fazit. Gute Gestaltung als Antwort auf richtige Fragen. „Die“ globale Formel für gelingende Urbanität wird es nicht geben, aber die großen Architekten und Städteplaner der frühen Moderne haben bewiesen, wie man das Neue annehmen und daraus eine eigene Sprache entwickeln kann. Vielleicht wäre es an der Zeit, an diesem Punkt wieder häufiger anzuknüpfen. Nicht nur mit halben Häusern.
Text: Torsten Meise, 2018, für das temporäre Magazin „Bauhaus Now“