Journalismus ohne Verlag – Die neue Realität der Medienarbeiter

Es ist mehr als zehn Jahre her, dass ich die ersten Kongresse besucht habe, die sich mit der „Krise des Journalismus“ befassten. Damals, nach dem Platzen der Spekulationsblase am Neuen Markt, wurde zum ersten Mal auch kräftig Luft aus dem System der Verlage gelassen. Viele Magazine wurden eingestellt, verkauft, verkleinert. Arbeitsplätze gingen verloren, und wir, die freien Journalisten und freien Medienarbeiter insgesamt, bekamen die Folgen des Wandels als erste massiv zu spüren. Die Honorare wurden zusammenstrichen, wer am Ende der Wertschöpfungskette stand, wurde in Buyout-Verträge gepresst und ausgesaugt. Die großen Verlagshäuser, die gewohnt waren, Umsatzrenditen von 30 und mehr Prozent einzufahren, die zu den mächtigsten Gelddruckmaschinen der Republik gehörten, lernten das Sparen. Manager übernahmen das Ruder, die nur eine Aufgabe hatten: die Kosten zu reduzieren. In der Folge fehlte es auch deshalb an der unternehmerischen Weitsicht, die Herausforderungen als Impuls zu einer inneren Modernisierung zu begreifen. Ach ja, und der Buhmann „Internet“ wurde zur Erklärung für das eigene Managementversagen. In der Tat ist das Internet die treibende Kraft für den Wandel der (aller) Medien, aber für die Unfähigkeit, den Wandel auch nur ansatzweise zu verstehen, ist es nicht verantwortlich zu machen.

Wenn ich mich mit Kollegen unterhalte, seien es nun festangestellte Redakteure, freie Autoren, freie Fotografen oder Grafiker, fällt früher oder später die immer gleiche oder doch sehr ähnliche Aussage: „Verlage? Kannst Du als Auftraggeber vergessen.“ Und tatsächlich scheinen sich Verlage heute alle Mühe zu geben, freie Journalisten, Fotografen, Grafiker, Illustratoren etc. nachhaltig zu vergraulen. Aber, und das ist eine spannende Situation: Diese freien Medienarbeiter müssen sich bereits seit mehr als zehn Jahren mit dieser Situation auseinandersetzen – und Wege finden, damit umzugehen. Während den Verlagen die größten Anpassungsprozesse noch bevorstehen und ihre Angestellten in immer neuen Wellen freisetzen, haben wir Freien längst gelernt, mit diesem Internet und diesem ganzen Zeug zu spielen, zu arbeiten und (manchmal auch) Geld zu verdienen.

Das ist allerdings nicht ganz leicht. Richard Gutjahr hat es kürzlich etwas pathetisch so zusammengefasst:

Dazwischen gefangen: wir, die Inbetweeners. Eine ganze Generation von Journalisten auf Standby, mental anzusiedeln irgendwo zwischen angepasst und rebellisch. Heimatlose auf der Suche nach einer neuen journalistischen Identität. Im Gepäck: unser Laptop und der Traum vom Neuland. Die Realität: nicht enden wollende Warteschleifen im Niemandsland.

In der Konsequenz bedeutet die Entwicklung für uns Freie, dass wir uns von der bekannten Infrastruktur der großen Medienhäuser und deren Ökonomie abnabeln und neue Wege finden müssen, unsere Miete zu verdienen. Freier Journalismus im ökonomischen Sinne ist tot, habe ich an anderer Stelle geschrieben. Aber hier sage ich auch: Es lebe der freie Journalismus! Wir sind die Kreativen, die Innovativen. Wir stecken in keiner Warteschleife, wir entdecken „das Neuland“. Viele Kolleginnen und Kollegen sind längst dabei, sich eigene Standbeine im Netz zu schaffen, diese zu vermarkten und dabei immer wieder Neues auszuprobieren.

Ich beobachte einige davon seit geraumer Zeit, und ich habe mir jetzt vorgenommen, sie einmal zu befragen, wie sie das machen, was sie antreibt und wie sie sich die Zukunft vorstellen. Mein Arbeitstitel dafür ist „Journalismus ohne Verlag – die neue Realität der Medienarbeiter“. Ich möchte am Ende ein Bild des lebendigen freien Journalismus zeichnen, das ich überall wachsen sehe. Und ich möchte selbst herausfinden, was mich antreibt, wie meine eigene Strategie aussieht, und wie ich vielleicht selbst mit eigenen Projekten einen Teil meines Lebensunterhaltes bestreiten kann.

Teil 1 dieses Projektes habe ich auf der neuen Medienseite meines Kollegen Karsten Lohmeyer veröffentlicht: LousyPennies.de. Weitere Texte werden folgen. Vielleicht rufe ich demnächst auch mal bei Dir an ;-) Stay tuned!

 

 

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